Mit diesen Baumhäusern, Hängebrücken und der großen Palisade um den Ort sah alles von außen aus wie eine große Festung. Deshalb nannten alle den Ort einfach nur liebevoll ihre „Burg“. Der Name Pirindia, den diese Piratenstadt später erhielt, gab es zu dieser Zeit noch nicht.
Aber eigentlich waren wir bei den Papageien der Insel und der Frage, warum sie als einzige Papageien aller Inseln leise mit knarrender und der tiefsten Stimme, die ihr euch vorstellen könnt, in das Ohr der Wanderer „Uhhu Ahha – lecker Fressen für die Nacht“ hauchen und sich dabei noch verstecken?
Diese Insel der Piraten war so schön, dass sehr bald Menschen auf anderen Inseln von ihrer Größe und Schönheit und von den Piraten erfahren hätten. Dann wären große Kriegsschiffe mit vielen Kanonen und Soldaten gekommen und hätten die „Burg“ zerstört. Sicher wären viele Piraten getötet und ihre Familien von der Insel vertrieben worden. Aber glücklicherweise gab es vor langer Zeit, als die Insel von einem sehr weisen und schlitzohrigen Piratenkapitän entdeckt wurde, einen riesigen Sturm.
Ihr müsst wissen, dass die Insel, so wunderschön sie ist, von einem scheinbar undurchdringlichen Felsenring und zahlreichen Untiefen, Strudeln und Gefahren umgeben ist. In Ihren Grotten und zwischen den Felsen leben große Kraken und an den Riffen vor den Felsen leben die gefährlichsten Haie, die ihr euch nur vorstellen könnt. Es gibt mutige Seeleute, alte Seebären mit unheimlicher Kraft und großen wilden Bärten, die nicht mal vor dem Teufel Angst haben. Diese behaupten, hier die größten Kraken und wildesten Haie in ihrem ganzen Leben gesehen zu haben. Niemals trauen sie sich mehr in die Nähe dieser Felsen. Außerdem liegt diese Insel im Meer an der Grenze zwischen Karibik und Atlantik. Die großen Wellen des Atlantischen Ozeans prallen den ganzen Tag mit gewaltiger Wucht gegen diesen Felsenring. Die Wellen spritzen unzählbare große und kleine Wassertropfen weit nach oben, wenn sie am Felsen zerbersten. Außerdem treffen an den Felsenketten die warmen Wasser der Karibik und der Insel mit dem kälteren Wasser des Atlantischen Ozeans zusammen. Dabei entsteht dichter weißer Nebel. Deshalb sind die Felsen mit den Kraken und Haien immer in einem dichten Nebelring gehüllt. Jeder, der auf dem Ozean an der Insel vorbeifährt, sieht nur eine weiße Wolke auf dem Wasser liegen und kann die Insel nicht sehen. Nur die Vögel, die hoch oben in der Luft fliegen, sehen im Innern des Nebelringes diese paradiesische Insel der Piraten. Viele starke und große Schiffe sind bei wilden Stürmen an dem Felsenring der Insel zerborsten und liegen hier als Wracks auf dem Meeresgrund als Wohnungen für die Haie und Kraken.
In jener Nacht mit dem gewaltigen Sturm, in dem das Schiff des Piratenkapitäns vom Wind gegen den Felsenring der Insel gedrückt wurde, es scheinbar kein Entkommen mehr gab und sich die Haie und Kraken schon dem Schiff näherten, um die ersten zu sein und die leckersten Seeleute abzubekommen, war Vollmond und gerade Flut.
Wie ihr alle wisst, gibt es in Ozeanen Ebbe und Flut – was irgend ein Spaßvogel mal die Gezeiten nannte. Seit diesem Spaßvogel, vielleicht war es tatsächlich einer der Papageien, wie manche vermuten, überlegen die Menschen, was die Höhe des Wassers im Meer mit „Gehen“ und „Zeit“ zu tun hat. Der Piratenjunge Artur liebt die Ebbe. Dann wir der Wasserstand im Ozean ganz niedrig. Es ist, als ob das Wasser Angst bekommen hat und abhaut. Dann kann Artur ganz weit auf dem Strand dorthin laufen, wo gerade noch Wasser und Meer war, fast bis zu dem Felsenring. Die kleinen Krabben und Krebse, die immer wieder überrascht sind, wenn das Mehr verschwindet, laufen ganz aufgeregt, wie ein aufgescheuchter Hühnerschwarm im Sand herum, bis sie, wenn Artur kommt, in irgendeinem Loch verschwinden, was natürlich nicht ihres ist und dann beim Reinrennen mit dem Besitzer zusammenstoßen, wobei sich beide eine Beule holen. Irgendwann will das Wasser des Ozeans kein Feigling mehr sein und kehrt um. Dann kommt das Wasser zurück. Artur muss sich jetzt ganz sehr beeilen und mit dem zurückkommenden Wasser um die Wette rennen, damit es ihn nicht einholt und er dann ganz nass wird und vielleicht noch schwimmen muss. Wenn also das Wasser am mutigsten ist und am weitesten und höchsten zum Ufer steigt, dann ist Flut. Der Felsenring der Insel steht dann tief im Wasser und die Wellen kommen dann manchmal bis zum Ufer der Insel.
Also in der Nacht als der weise schlitzohrige Piratenkapitän in Seenot war und sich die Haie, Kraken und vielleicht noch anderen Seeungeheuer schon seinem Schiff näherten, war gerade Flut und es war Vollmond und der ganz schreckliche Sturm. In Nächten mit Vollmond und mit der Unterstützung der Sturmwinde ist das Wasser besonders mutig und steigt bei der Flut viel höher als sonst. So hoch, dass es an einer Stelle die Felsen so weit überschwemmt, dass ein Schiff zur Insel durchfahren kan, ohne an den Felsen zu zerschellen. Der Piratenkapitän und seine Mannschaft wussten davon nichts. Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht, der wilde entfesselte Sturmwind blies sie fast vom Schiff ins Wasser, wo schon die Haie gierig warteten. Grelle Blitze und lautes Donnern hallte vom Himmel. Fahl schimmerte manchmal das Vollmondlicht zwischen den Sturmwolken durch. Plötzlich, fast zeitgleich, und mit einem fürchterlichen Donnerkrachen fuhren zwei leuchtende Blitze vom Himmel zur Erde. Der Schein des Vollmondes leuchtete links und rechts an einer Wolke hervor, wie zwei magisch leuchtende Augen. Die gezackten Blitze fuhren links und rechts dieser Augen vom Himmel in das Meer, wie zwei riesige scharfe Zähne. Das Schiff bäumte sich im Wind. Eine ungeheure Welle brach über es herein, aber der Piratenkapitän hatte es gesehen. Zwischen den Zähnen dieses scheinbar gigantischen Dämons mit den Augen aus Mondenschein und den Blitzen als Zähne, war eine Öffnung zwischen den Felsen. Durch das Heulen des Windes schrie er zu seinen wackeren Männern: „Ihr Teufelsbraten! Es gibt Hoffnung“. Zu dritt, der Kapitän, sein Steuermann und sein roter Papagei, standen sie am Steuerrad des Schiffes. Keine noch so wilde Sturmböe konnte sie erschrecken. Sicher steuerten sie ihr Schiff und Ihre Mannschaft durch diese Öffnung in der Felsenkette. Entmutigt klatschen die Fangarme der Kraken an Deck. Schlecht gelaunt, enttäuscht und hungrig, mit hängender Schwanzflosse zogen auch die wildesten Haie unverrichteter Dinge ab. Es war einfach nicht ihr Tag gewesen.