Artur und die Insel der Dämonen

Das Piratenschiff erreichte unversehrt den Strand der Insel. Während die Piraten sich im Schatten der Palmen ausruhten und sich der rote Papagei gerade mit den Papageien der Insel anfreundete und ihnen von seinen Heldentaten berichtete, saß der weise und schlitzohrige Piratenkapitän am Strand auf dem Stamm einer umgestürzten Palme. Er hatte sich eine Kokosnuss geöffnet, trank ganz in Gedanken versunken die süße, erfrischende Kokosmilch und dachte nach. Lange dachte er nach. Er sah die wunderschönen Strände, die Berggipfel im blauen Himmel aufragen, hörte das Wasser eines kleinen Wasserfalls, sah die großen, alten und knochigen Bäume des Waldes, bewachsen von den schönsten Orchideen und Bromelien, die er je in der Karibik gesehen hatte und hörte das Kreischen der Papageien. Er wusste, er hatte hier eine wundervolle Heimat für seine Piraten mit ihren Familien und Kindern gefunden. In seinem Innern konnte er schon die Piratensiedlung mit all ihrem Leben sehen. An die Baumhäuser und Hängebrücken hat er noch nicht gedacht, aber an etwas , was ihm Sorgen machte. Wie sollte er diese Insel vor allen Menschen geheim halten und so zur sicheren Heimat der Piraten machen?

Da kam ihm plötzlich ein Gedanke in den Kopf. Er sah noch einmal die leuchtenden Augen des Mondscheins hinter der Sturmwolke, die glühenden gezackten Zähne der Blitze, wie das große Maul eines riesigen Dämonen vor sich. Ja, das ist es. Alle Menschen, die trotz des Rings aus Felsen, der Kraken, Haie, vielleicht anderen Meeresungeheuer und des Nebels die Insel finden würden, müssten glauben, dass es eine Insel mit schrecklichen Dämonen ist, die jeden Menschen auffressen, der sich auf der Insel aufhält. Wenn das alle Menschen außer den Piraten glauben, haben sie solche Angst vor der Insel, dass sie sie sofort wieder verlassen würden und zukünftig einen großen Bogen um die „Insel der Dämonen“ machen, die im Nebel verborgen liegt.
Wie konnte er nun die Dämonen schaffen, die allen Menschen Angst einjagen würden. Sicherlich die Haie und Kraken waren hilfreich. Abschreckend waren die Geschichten der Seefahrer zu den schrecklichen Fangarmen der Kraken, die ganze Schiffe umklammern und in die Meerestiefe reißen können, wenn sie nicht nur von Deck die Seeleute einzeln holen, indem plötzlich ein Krakenarm aus dem Wasser an Deck schnellt, einen Seemann umfasst und ihn mit in die Tiefe des Meeres reißt. Aber wahre Dämonen waren das noch nicht.

Der Piratenkapitän liebte seinen treuen roten Papagei über alles. Viele Stürme, Überfälle und Kämpfe haben sie zusammen überstanden. Manchen Schatz haben sie gemeinsam vergraben oder andere nach Schatzkarten gefunden, aber vor allem haben sie sich viele Nächte und Tage gemeinsam unterhalten. So erzählte auch der weise und schlitzohrige Kapitän seinem roten Papagei all seine Nöte und Sorgen. Erschrecken müsste man die Leute, so das sie denken, es käme von einem Dämon. Wenn es aber keinen Dämon gibt, wie dann einen schaffen, der die Menschen erschreckt? Es muss ein Dämon sein, der immer da ist, wenn ein Mensch auf der Insel landen sollte und er muss unsichtbar bleiben. Somit würde keiner merken, dass der Dämon ja gar kein richtiger Dämon ist. Da fragte der Papagei seinen geliebten Herrn den Piratenkapitän, wie man denn die Menschen erschrecken und sie glauben lassen könnte, dass ein Dämon hinter ihnen her ist.

Der Piratenkapitän war gerade bei seiner zehnten Kokosnuss angekommen, als ihm ein Einfall kam. Menschen haben Angst, allein in der Nacht oder allein im Urwald. Sie fürchten Geräusche, die sie nicht kennen und die für sie tief und schaurig klingen. Besondere Angst bekommen die Menschen, wenn sie nicht wissen woher die Geräusche kommen und niemanden sehen. Außerdem ist es eine schreckliche Vorstellung für alle Menschen, einfach von irgendwem aufgefressen zu werden. In schauriger tiefer Stimme murmelte er vor sich hin „Uhhu Ahha – lecker Fressen für die Nacht“. Sein roter Papagei saß dabei auf seiner Schulter und ließ den Kopf hängen, da er sah, wie traurig und nachdenklich sein geliebter Piratenkapitän war. Über die vielen Jahre hatte der Papagei auch die tiefe Stimme seines Herrn gelernt. Ganz leise, fast gehaucht, weil sich der rote Papagei nicht ganz sicher war, knarrte er seinem Herrn im tiefsten Ton ins Ohr „Uhhu Ahha – lecker Fressen für die Nacht“. Der sonst so mutige Piratenkapitän fuhr erschrocken und zitternd zusammen bis er merkte, dass es nur sein eigener Papagei gewesen war. Nachdem der Schreck verflogen war, sagte er „das ist es“ und nahm seine roten Papagei fest in die Hände und küsste ihn auf den Schnabel. „Lihh“ kreischte da der Papagei, „kannst Du nicht jemand anderen abknutschen“. „Ich bin doch nicht deine Frau.“ Aber insgeheim war der Papagei ganz stolz, dass er einen Kuss von seinem geliebten Piratenkapitän bekommen hat und sein Gefieder stellte sich stolz und glänzend auf.

In den nächsten Tagen machte sich sein Papagei auf in die Wälder, wo er die anderen Papageien gesehen hatte. Da war so eine wunderschöne Papageienprinzessin. Jedenfalls schien sie dem roten Papagei wie eine richtige Prinzessin. Sie war einer der wunderschönen blauen Papageien mit dem gelben Fleck am Hals. Also jene, die wie die Affen mit ihrem Schnabel durch den Wald klettern, anstelle zu fliegen. Als sie den roten Papagei sah, blieb ihr vor Schreck der Schnabel offen stehen, worauf sie natürlich prompt vom Ast fiel. Unser roter Papagei flog sofort zu ihr auf den Boden und streichelte ihr Gefieder. Als sich die Papageienprinzessin und unser roter Papagei am nächsten Tag wieder trafen und einer der Piraten ahnungslos durch den Wald schlenderte, wollte unser roter Papagei mächtig vor seiner neuen Freundin angeben. Er versteckte sich hinter den Blättern und hauchte dem Piraten mit seiner tiefsten und knarrendsten Stimme ins Ohr „Uhhu Ahha – lecker Fressen für die Nacht“.

Der Pirat erstarrte augenblicklich vor Schreck. Dann rannte er los, aber nicht weit, nur bis er an den nächsten Baum rannte und umfiel. Er rappelte sich auf, rannte wieder los, blieb an einer Wurzel hängen und landete auf der Nase. Das fand die schöne Papageienprinzessin so witzig, dass sie es allen ihren Papageienfreundinnen im Wald erzählte. Diese erzählten es ihren Freundinnen und Freunden und am Ende wussten es alle Papageien der Insel. Jeder wollte es nachahmen und die Menschen erschrecken. Nie hat man zuvor Papageien so fleißig üben sehen. Tag und Nacht übten sie die tiefe Stimme und vor allem das Verstecken. Zu Anfang war es leicht, die Piraten und ihre Frauen und Kinder zu erschrecken. Aber nach und nach wussten alle Piraten der Insel, welche Spiele die Papageien spielen und nur noch die kleinen Kinder, die das noch nicht kannten erschreckten sich und fürchteten sich vor dem Wald.

Aber wenn einmal ein fremdes Schiff, was sehr selten vorkam, die Öffnung zwischen den Felsen entdeckte, die sich bei hoher Flut auftat und den Strand erreichte, dann war die Freude bei den Papageien groß. Dann spielten sie Ihr Spiel so lange bis die erschrockenen Eindringlinge fluchtartig aus Angst vor den Dämonen die Insel wieder verließen. So schützt die Idee des weisen Piratenkapitäns seine Freundschaft zu seinem roten Papagei und dessen Liebe zur wunderschönen Papageienprinzessin bis zum heutigen Tag die Insel vor Feinden. Deshalb leben der große, schon sechsjährige Piratenjunge Artur und alle anderen Piraten auf ihrer schönen Insel, glücklich und zufrieden. Außer in der Zeit, in der Artur und die Piraten Abenteuerfahrten unternehmen und Schätze erobern, finden oder verstecken, was selten genug vorkam, wie wir aus den Abenteuern des kleinen Piraten Artur erfahren werden.