Autor: Dirk Liesch
Die Gedanken der Meeresfee Undine schweiften zur westlichen Seite des „schwarzen Grabens“, dorthin, wo einstmals das Nixen- und Wassermann-Volk lebte, welches heute ausgestorben ist. Was erzählten die uralten Sagen über dieses Volk:
Die Nixen und Wassermänner westlich des „schwarzen Grabens“ sind ein wenig graziler als die Stämme der anderen Seite. Ihre Stirn ist ein klein wenig höher, ihre Finger, ihre Arme und ihr Fischschwanz wirken etwas länger und schmaler. Insbesondere ihre Daumen sind länger und schmaler. Ihre Oberkörper, Arme, Hals und Gesicht sind immer komplett frei von Schuppen. Auffällig sind ihre ausgeprägten geschwungenen Lippen. Wichtiger als die geringen äußerlichen Unterschiede, sind aber die inneren Unterschiede, welche sich im Verhalten zeigen. Das westliche Volk hatte sich durch die Trennung des „schwarzen Grabens“ über Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende unabhängig von den östlichen Stämmen aus Poseidons Reich entwickelt.
Ihre Siedlungen sind viel größer, aus farbigen Korallen und Muscheln erbaut und mit Anemonen geschmückt. Korallenfische, Clownfische, Papageienfische, Falterfische, Feuerfische, Seepferdchen und kleine Tintenfische umschwimmen die Behausungen. Kleine Nixen und Wassermänner spielen gemeinsam im Wasser, teilweise begleitet von Delphinen, auf denen sie reiten. Die Siedlungen haben keine Verteidigungsanlagen oder Schutznetze wie im Osten.
Auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Haare, die Farben der Fischschuppen, die Form der Schwänze, die Größe der Nixen und Wassermänner und vieles andere innerhalb einer Siedlung viel unterschiedlicher sind, als in den Siedlungen jenseits des „schwarzen Grabens“. Früh am Morgen schwimmen die kleinen Wassermänner und Nixen zu einem großen Gebäude, in dem sie bis Mittag gemeinsam lernen und üben. Sie hören Geschichten und Sagen aus der Vergangenheit und Gegenwart, die ihnen ältere Nixen und Wassermännern erzählen. Sie schwimmen gemeinsam um die Wette, lernen Tang- und Algenplantagen anzulegen und die Bonito-Bestände zu pflegen, was eine der Fischarten ist, welche die Stämme westlich des „schwarzen Grabens“ für ihre Ernährung züchten. Sie lernen die Geschichten ihres Stammes weiter zu erzählen, was nicht so einfach ist, da sie alles auswendig lernen müssen. Eine Schrift gibt es nicht. Alles wird von Generation zu Generation weitererzählt.