Aber heute wollte Artur nur die weite Aussicht genießen und hoch oben im Mast träumen.
Wenn er vom Mast tief herunter auf das Deck sah, kribbelte es immer so in seinem Bauch. Dabei schwankte der „Schwarze Falke“ mit den leichten Wogen des Meeres und zusätzlich schwankte der Mast auch noch vom leichten Wind. Das ist wie auf einer Schaukel stehen, nur ganz weit oben. Für Artur war das Klettern zum Ausguck in den Seilen des Mastes immer ein kleines Abenteuer. Er war ja auch erst 5 Jahre alt und noch klein. Deshalb waren die Abstände zwischen den Seilen der Strickleiter für ihn so groß, dass er sich ganz sehr strecken musste, um überhaupt die nächste Seil-Sprosse zu erreichen.
Schon zu Beginn, wenn er auf die Reling – das Geländer des Schiffes- kletterte und nach unten ins Wasser sah, krallten sich seine kleinen nackten Zehen ganz sehr am Balken des Geländers fest. Wenn er jetzt nur ein wenig das Gleichgewicht verliert, würde er bis darunter ins Wasser plumpsen. Die Wachen würden vom Platschen aufwachen und seinem Vater erzählen, dass er sich nicht an sein Verbot gehalten hat. Sich einfach nicht an das Verbot des gefürchteten Piratenkapitäns Magnus zu halten, das wagte sich sonst niemand. Es gäbe ein Donnerwetter, das sich gewaschen hat. Immerhin wäre Artur für das Waschen schon nass, denn die Qualle würde ihn wohl kaum abtrocknen. Auch das würde Artur nicht wollen, so schleimig, wie die Qualle war. Dann doch lieber pudelnass zum Donnerwetter gehen.
So fasste Artur nach den Seilen und reckte sich so weit er konnte, um die nächste Stufe zu erreichen. Nach dem ersten Segel machte er kurz Pause und sah nach unten. „Uhh“ war das schon hoch. So hoch, dass es schon ganz schön platschen würde, wenn er den beiden Piraten von hier auf den Kopf spuckt. Ganz schnell drehte sich Artur wieder um und kletterte weiter, bis er den Aussichtskorb erreichte. Erst nachdem er sich über das Geländer geschwungen hatte, wagte er wieder hinabzusehen. Er musste sich festhalten, so sehr schwankte der Mast hier oben. Ihm wurde etwas schwindelig, wenn er direkt nach unten sah. Es war so hoch, dass die Piraten von hier nur noch wie ganz kleine Zwerge aussahen- fast so klein wie Babys. Artur liebte es, hier oben im Mastkorb zu sein und zu träumen. Auf dem Rücken im Korb zu liegen, war durch das Schwanken des Mastes fast so, wie in seiner Hängematte zu schaukeln. Aber auch nicht genau gleich. In seiner Hängematte ging es beim Schaukeln immer an den Seiten nach oben und in der Mitte nach unten. Hier oben im schwankenden Mast ging es immer in der Mitte nach oben und an den Seiten nach unten. Trotzdem war es gemütlich, hier zu liegen und hoch zum obersten Segel zu schauen, über dem die Piratenfahne wehte. Manchmal kam es Artur so vor, als ob ihn die Augen aus dem Totenkopf ansehen und der Wind mit den beiden gekreuzten Knochen spielt. Wenn Artur dann die Augen zumachte, hörte er von dieser Knochenklapper ganz leise „klapp-klapp, klapp-klapp-klapp, klapp“ eine magische Musik – den „Rhythmus der Gerippe“. Mutige Piraten haben davon erzählt, dass dieser Rhythmus im Sturm immer lauter wird, bis er sich selbst mit dem wilden Brausen des Sturmes vereint „Uhhh, klapp-klapp, Uh-huhhh-klapp-uhh, klapp-klapp-klapp, huuhuu“. Ganz schaurig und gespenstig klingt das. Eben so, dass jeder denkt, sein letztes Stündlein habe geschlagen.
Doch heute ist es warm und fast windstill. Als Artur blinzelnd die Augen wieder aufmacht, sieht er die Piratenfahne gar nicht mehr. An der Stelle ist nur noch ein rot, blau, gelber Klecks. Verwundert reibt sich Artur die Augen und siehe da, aus dem Klecks wird der Papagei „Dagobert“. Dagobert bedeutet „Der wie der Tag Glänzende“ und so schimmerten die rot, blau, gelben Federn von Dagobert auch in der Sonne. Dagobert war der Papagei von Arturs Vater Magnus. Bei allen Piratenfahrten, Kämpfen und Stürmen sitzt Dagobert seit vielen Jahren auf der Schulter des gefürchteten Piratenkapitäns.