Wie ihr alle wisst, gibt es in Ozeanen Ebbe und Flut – was irgend ein Spaßvogel mal die Gezeiten nannte. Seit diesem Spaßvogel, vielleicht war es tatsächlich einer der Papageien, wie manche vermuten, überlegen die Menschen, was die Höhe des Wassers im Meer mit „Gehen“ und „Zeit“ zu tun hat. Der Piratenjunge Artur liebt die Ebbe. Dann wir der Wasserstand im Ozean ganz niedrig. Es ist, als ob das Wasser Angst bekommen hat und abhaut. Dann kann Artur ganz weit auf dem Strand dorthin laufen, wo gerade noch Wasser und Meer war, fast bis zu dem Felsenring. Die kleinen Krabben und Krebse, die immer wieder überrascht sind, wenn das Mehr verschwindet, laufen ganz aufgeregt, wie ein aufgescheuchter Hühnerschwarm im Sand herum, bis sie, wenn Artur kommt, in irgendeinem Loch verschwinden, was natürlich nicht ihres ist und dann beim Reinrennen mit dem Besitzer zusammenstoßen, wobei sich beide eine Beule holen. Irgendwann will das Wasser des Ozeans kein Feigling mehr sein und kehrt um. Dann kommt das Wasser zurück. Artur muss sich jetzt ganz sehr beeilen und mit dem zurückkommenden Wasser um die Wette rennen, damit es ihn nicht einholt und er dann ganz nass wird und vielleicht noch schwimmen muss. Wenn also das Wasser am mutigsten ist und am weitesten und höchsten zum Ufer steigt, dann ist Flut. Der Felsenring der Insel steht dann tief im Wasser und die Wellen kommen dann manchmal bis zum Ufer der Insel.
Also in der Nacht als der weise schlitzohrige Piratenkapitän in Seenot war und sich die Haie, Kraken und vielleicht noch anderen Seeungeheuer schon seinem Schiff näherten, war gerade Flut und es war Vollmond und der ganz schreckliche Sturm. In Nächten mit Vollmond und mit der Unterstützung der Sturmwinde ist das Wasser besonders mutig und steigt bei der Flut viel höher als sonst. So hoch, dass es an einer Stelle die Felsen so weit überschwemmt, dass ein Schiff zur Insel durchfahren kan, ohne an den Felsen zu zerschellen. Der Piratenkapitän und seine Mannschaft wussten davon nichts. Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht, der wilde entfesselte Sturmwind blies sie fast vom Schiff ins Wasser, wo schon die Haie gierig warteten. Grelle Blitze und lautes Donnern hallte vom Himmel. Fahl schimmerte manchmal das Vollmondlicht zwischen den Sturmwolken durch. Plötzlich, fast zeitgleich, und mit einem fürchterlichen Donnerkrachen fuhren zwei leuchtende Blitze vom Himmel zur Erde. Der Schein des Vollmondes leuchtete links und rechts an einer Wolke hervor, wie zwei magisch leuchtende Augen. Die gezackten Blitze fuhren links und rechts dieser Augen vom Himmel in das Meer, wie zwei riesige scharfe Zähne. Das Schiff bäumte sich im Wind. Eine ungeheure Welle brach über es herein, aber der Piratenkapitän hatte es gesehen. Zwischen den Zähnen dieses scheinbar gigantischen Dämons mit den Augen aus Mondenschein und den Blitzen als Zähne, war eine Öffnung zwischen den Felsen. Durch das Heulen des Windes schrie er zu seinen wackeren Männern: „Ihr Teufelsbraten! Es gibt Hoffnung.“ Zu dritt, der Kapitän, sein Steuermann und sein roter Papagei, standen sie am Steuerrad des Schiffes. Keine noch so wilde Sturmböe konnte sie erschrecken. Sicher steuerten sie ihr Schiff und Ihre Mannschaft durch diese Öffnung in der Felsenkette. Entmutigt klatschen die Fangarme der Kraken an Deck. Schlecht gelaunt, enttäuscht und hungrig, mit hängender Schwanzflosse zogen auch die wildesten Haie unverrichteter Dinge ab. Es war einfach nicht ihr Tag gewesen.