Autor: Dirk Liesch
Wie wir uns erinnern, hat Undine, die Meeresfee, auf ihrem Weg nach Indien den „schwarzen Graben“ überwunden, an dessen tiefster Stelle der böse Zauberer gefangen ist. Danach hat sie mit Oraculum gesprochen, um Dämona, die Meerhexe, über den Aufenthaltsort von Lea zu täuschen. Ob das gelingt, wissen wir noch nicht.
Als Undine jetzt weiter nach Südwesten auf ihrem Weg nach Indien schwimmt, kreisen ihre Gedanken immer noch um Dämona und das Bild von Medusa mit der schwarzen Schleife, das sie in der Höhle der Meerhexe im Unterwassergebirge gesehen hat. Sie erinnert sich plötzlich an ganz alte Sagen, die über diese Region durch die sie gerade schwimmt von ihrer Mutter erzählt wurden.
Vor sehr, sehr vielen Jahren lebte westlich des „schwarzen Graben“ ein Nixen- und Wassermann- Volk, welches heute ausgestorben ist. Die unterschiedlichen Nixen, Wassermännern und Meeresfeen, östlich des Grabens, dort wo der heute Poseidons Palast liegt, wussten von diesem Volk damals noch nichts. Selbst Poseidon war zu jener Zeit noch nicht geboren. So lange ist das schon her. Der „schwarze Graben“ war der Grund, warum dieses heute ausgestorbene Nixenvolk vorher unbemerkt blieb. Schon seit jeher lebten im „schwarzen Graben“ schreckliche Ungeheuer, Monster und giftig Meereslebewesen. Es gab viele Horrorgeschichten und Sagen, welche erzählten, auf welch schreckliche Weise alle Nixen und Wassermänner ums Leben kamen, die versehentlich über den Rand des schwarzen Grabens hinausgeschwommen sind.
Zu der Zeit lebten die Nixen und Wassermänner in Gruppen als „Stämme“ ähnlich einer Großfamilie zusammen. Sie sahen andere Stämme als ihre Feinde an, welche sie bekämpften. Das führte dazu, dass diese vergleichsweise kleinen Gruppen von Nixen und Wassermännern immer eng zusammenbleiben mussten, um sich gegen die Überfälle anderer Großfamilien zu schützen. Deshalb gab es sehr selten Ausflüge von größeren Spähergruppen und fast nie Expeditionen für neue Entdeckungen, da die jungen Wassermänner mit dem Schutz des eigenen Stammes, dem Angreifen anderer Stämme und dem Jagen und erbeuten von Nahrung genug zu tun hatten. Die Siedlungen, meist Höhlensiedlungen in den Riffen unter Wasser waren immer bewacht und mit Schutznetzen versehen, um möglichst nicht schlafend von feindlichen Stämmen überfallen zu werden.
Angeführt wurden die Stämme meistens vom besten Krieger des Stammes. Das bedeutete, er hatte schon besonders viele Wassermänner anderer Stämme umgebracht und besonders viele Nixen geraubt. Es war damals nicht so wichtig, intelligent zu sein. Ein Wassermann musste vor allem besonders brutal, rücksichtslos und gewalttätig gegenüber allen Nichtmitgliedern der eigenen Großfamilie sein, um Herrscher eines Stammes zu werden. Was nach einem Überfall und Sieg über einen anderen Stamm mit den Kindern und Babys der Besiegten passierte, war unterschiedlich. Einige Stämme brachten die Babys der besiegten Stämme einfach um, andere bereiteten sie lecker zu und aßen sie in einem Festmahl auf, wieder andere Stämme nahmen die Kinder mit und zogen sie als Sklaven auf. Einige wenige Stämme, nahmen die Kinder und Babys mit und zogen sie zu eigenen, gleichberechtigten Kriegern und Nixen ihres Stammes auf. Nach und nach wurden diese Stämme, die nicht nur die Nixen raubten, sondern auch die Kinder am Leben ließen, größer und stärker, denn sie hatten dadurch mehr Krieger als die anderen Stämme und konnten deshalb noch mehr andere Stämme besiegen.