Lea’s Träume

Autor: Dirk Liesch

Schon kurze Zeit nachdem Lea in Pirindia auf der Insel der Dämonen angekommen war, fühlte sie sich wie zu Hause. Sie wohnte bei einer der Piratenfrauen, deren Mann bei einem Überfall ums Leben gekommen war und die keine Kinder hatte. Die kinderlose Piratenfrau konnte jedoch wunderbar kochen und war glücklich, dass sie nun Gesellschaft von einem kleinen Mädchen hatte. Doch je besser es Lea am Tage ging, desto mehr begann sie in den Nächten zu träumen.

Manchmal wachte sie mitten in der Nacht schreiend auf und manchmal lachte sie im Schlaf. An manchen Morgenden konnte sich Lea an ihre Träume erinnern. An anderen wusste sie am Morgen gar nichts mehr. Wenn sie in der Nacht zuvor schlecht geträumt hatte, wollte sie am Abend gar nicht einschlafen und schon gar nicht im Dunkeln. Da die Piraten jedoch noch kein elektrisches Licht hatten und die Lagerfeuer und Öfen nur draußen brannten, musste Lea in der Hütte jeden Abend im ganz Dunklen einschlafen. Von draußen hörte sie dann nur die Schreie der Papageien und manchmal auch von anderen Tieren. Wenn es windig war, hörte sie das Wellenrauschen. Es war der Klang mit dem sich die Wellen draußen am Riff brachen.
Besonders zwei Träume tauchten immer wieder auf, bis sie sich an diese auch am Tag erinnern konnte.
In dem einen Traum sah Lea sich als ganz kleines Mädchen in einem wunderschönen Garten unter Feigenbäumen sitzen. Sie wusste das es Feigenbäume waren und wie Feigen schmecken, obwohl es auf der Pirateninsel keine Feigenbäume gab. Sie spielte mit zwei kleinen Katzen, die versuchten den Ball zu fangen, den Lea immer fortrollte und weil daran ein Strick befestigt war, danach wieder schnell zurückzog. Es sah so lustig aus, wie die Kätzchen immer lossprangen und dann Purzelbäume schlugen, wenn Lea den Ball zurückzog und die Katzen nicht so schnell bremsen und umkehren konnten, sich dabei überschlugen und vor Freude mauzten. Lea lachte. Als es gerade am schönsten war, ging jedoch die Tür des weißen Palastes auf und ihr Vater kam aus der Tür. Sie erkannte ihren Vater im Traum sofort. Aber er sah so traurig aus. „Papa, Papa!“, rief Lea, „Sieh mal, wie lustig das ist.“ Doch ihr Papa konnte sie nicht sehen. Ganz langsam ging er an Lea und den Katzen vorbei bis zu der Stelle unter dem Feigenbaum, wo Lea gerade noch gesessen hatte. Ganz leise sagte er: „Hier hat meine kleine Lea immer am liebsten gesessen und gespielt. Bist du noch am Leben? Geht es Dir gut? Hoffentlich findet dich der Gouverneur von Baracoa. Du fehlst mir so.“ „Papa, Papa“, rief Lea ganz verzweifelt, wenn ihr Vater wieder langsam und mit Tränen in den Augen zurück in den Palast ging. Doch er hörte sie nicht. Dies war meistens der Moment, an dem Lea aufwachte und merkte, dass es nur ein Traum war und sie in der Hütte der Piratenfrau lag.